R U C C O L A 2
Ich koch mir Wind
Anagramme und Anagrammgedichte
Januar 2002
zu Ruccola 2
von Trude Gattenscheu, d.i. Renate Gutdeutsch; 48 Seiten, 77 Hefte in der 1. Auflage (2002), fast vergriffen.
Für Rut Faradlenz, Dottore U Klugdurchsicht, Laila Nektar Sahiba, Gerworz Senegraf und viele andere. Mit Zeichnungen von Traudel Franz, Brigitte Borchardt Spendelin
und der Autorin und mit dem Foto einer Plastik von Georg Müller-Mettnau (Foto: Ulrich Gutdeutsch)
Anagramme sind Umsetzungen des gesamten Buchstabenbestandes einer Wortfügung, eines
Namens, eines Satzes; alle und nur die vorgefundenen Buchstaben werden in einer neuen Zeile zusammengesetzt.
Themen in Ruccola 2: vom Kindervers DIE KATZE TRITT DIE TREPPE KRUMM bis zu einem
torkelnden - schon von der Königin der Anagrammgedichte, Unica Zürn, behandelten - ORAKEL UND SPEKTAKEL; neben Alltagssätzen und Klischees viele innige und/oder heftige Spiele mit
literarischen Fundstücken. Gegen Ende zwei Palindrome und ein paar Silbenanagramme (wahrscheinlich Erfindung der Autorin!)
Die kürzesten Anagramme in Ruccola 2 bestehen aus nur einer Zeile, sind also nur als ein
Kurzkommentar zu rechnen, als eine Art Übersetzung. Angelus Silesius z.B., dem auch längere "cherubinische Anagramme" gewidmet sind, bekommt auf seinen Satz: ICH SELBST MUSS
SONNE SEYN die Anagrammantwort: "Schlusss mit boesen Neyns". Das Dreifach-s von Schlusss rechtfertigt sich mit der Bedeutung des Appells!
Einige Anagrammgedichte wurden in Zeitschriften gedruckt.
Beispiele aus Ruccola 2
ENDURING FREEDOM
(Operation der Nato
gegen die Taliban, Herbst 2001)
Enduring freedom
Morddinge feuern
Grund: freie Moden
Freie Grundmoden
Dem dornigen Rufe
Die morgnden Ufer
Feindeermordung
Die Freunde morgn?
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LIEBER RUCCOLA ALS RAUKE
Lieber Ruccola als Rauke
Saurer Rabauke - c: il cello
Sakra rau - lieber: uccello
Laras Roecce, Ulrike-Blau
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TU WAS DU WILLST
Wu tas wu dillst
Das Wuwut still
Will was du tust
Di Wut wat sull's
Willwaust du'st
Dalli Wust Wust
Wiwad Lust Lust
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DU HAST MIR MEIN GERAETE VERSTELLT UND
VERSCHOBEN
(Goethe im Gedicht: Cupido, loser, eigensinniger Knabe!)
Laute, Chaos, verdrehtest du. Es verglimmert binnen
Minuten das volle strenge Recht im Versbau, drehte
Der Gott all meinen Schreibverstand um. Verse, heut
Erdichtete: vertan. Und Amor vermengt Bullheisses
In Gletscherverse, verbaut andres, tote Himmel und
Verbrannte Eisdaemme, verschlinget Strudel. Tohu-
Vabohu, erstes Urverlangen. Elend tritt mich, dem es
Viel Brand verschiesst und rote Gluten haemmerte
Ins mondglatte Blut. Unverschaemter, verehre dies
Verleumds-, veraendert uns Goethe nicht! Blamierst
Dich voll. - Aber er entsteht: ein verdammt neuer Guss
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DAS BUNTE GEREDE DES AN-/ ERLEBTEN - DAS HUNDERT-
ZUENGIGE MEIN-(/) GEDICHT, DAS GENICHT
Paul Celan, aus: Atemwende, Teil I
Hastendes Strudeln. Enge Redebude. Aber Tand
Mag ich. Du zeigst ein Gegendichten
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SCHENKT KUNST LYRIK IST SO
Schenkt Kunst! Lyric ist so Stuss. Cry? Kitt! Klon! Schein Schenkt Lyric! Kunst ist so Tot. Yes. Klick. Rinnt Schuss
Schluss. Story knickt-t ein Links? Erotic? Kunst? Tschys LUCKY STRIKE SONST NICHTS
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ZEILE UM ZEILE
ZEILE UM ZEILE
Zum Ziele eile
GEH LANGSAM ZURUECK
Nah am Glueck gruesz
MIR DIE WIEDERGEFUNDENE STELLE
Und - federe weg, reim deine Stille
(c: Renate Gutdeutsch, Ruccola 2, 2002)
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