R U C C O L A 5
Aufgeschnappt Hängengeblieben
366 Sätze
Dezember 2003, fast vergriffen, 48 Seiten 2003, 110 Hefte, Nachwort
zu Ruccola 5
Ruccola 5, sehr prosaisch, sehr unterhaltsam, ist der kleine Bruder eines DIN A 3-Heftes,
das für eine Installation im Karl Ernst Osthaus Museum der Stadt Hagen im Laufe von 3 Jahren gefüllt wurde , für das 1988 von Sigrid Sigurdsson begonnene und noch immer
betreute Projekt VOR DER STILLE. Ein Sätzekalender, pro Tag, vom 1. Januar bis zum 31. Dezember wird ein Satz, (ein Wort, ein Satzstück) aufgetischt, ein Alltagsding oder eine
kleinste literarische Portion. Zufällig Gehörtes, im Nebenbei Aufgelesenes, meist außerhalb von Tageswichtigkeiten Angeflogenes, das stutzen, staunen, stolpern ließ; in der S-Bahn, bei
den Enkeln, aus den Medien. Dazu gesellten sich frischerinnerte Sätze aus Briefen, Zetteln, Tagebüchern. Der Tagessatz, nicht erfunden, ganz authentisch, wurde möglichst unter dem
Datum untergebracht, an dem er der Sammlerin in die Alltagsohren fiel oder in die Reiseaugen. Weise Haiku werden nicht ausgeschüttelt, aber Erzählsplitter vielleicht.
Datum +Satz +Fußnote, da kringelt sich ja schon mal ein Geschichtchen.
Beliebt bei starken Lesern und solchen, die es sonst nicht sind.
"herzlichen Dank für 'Ruccola 5'. Ich habe schon mit Vergnügen darin gelesen und werde die
Lektüre in der Straßenbahn fortsetzen. Manche (Sätze) fordern besonders stark zum Nachdenken, gar Weitererzählen heraus...Mit besten Grüßen Jürgen Engler” (Aufbau-Verlag Berlin)
Seitenbeispiele aus Ruccola 5:
1. März 2002
Frokus
Kiran, ein junger Dichter in der "Federlese" zum frohen Krokus
2.März 2003
Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz
Der grüne Parteichef Bütikofer über die Sozialdemokraten (Luther zitierend)
3. März (2002)
einen ganz leisen Hauch
Dann ging der Herr an der Höhle vorüber. Zuerst kam ein gewaltiger
Sturm, der an der Bergwand rüttelte, daß die Felsbrocken flogen. Aber der Herr war nicht im Sturm. Als der Sturm sich gelegt hatte, bebte die Erde,
doch im Erdbeben war der Herr nicht. Dann kam Feuer, aber der Herr war auch nicht im Feuer. Zuletzt hörte Elija einen ganz leisen Hauch. 1. Könige 18, 19
4. März 2003
Frankfurt und die Buchmesse gehören für mich zusammen wie Kain und Abel
Hans Pleschinski in der SZ
5. März 2003
Und als ich mich mit meiner Tasse umkucke zu meinem Koffer, da ist der Koffer nicht da
Werner im Hauptbahnhof
6. März 1915
Ich glaube Sie würden es nothwendig brauchen, wirklich ausgezankt zu werden wie ein baby - der Sie ja auch eines sind , "
obwohl ein großer Dichter.. "
Marie von Thurn und Taxis an Rilke
7. März 2002
Ich hab zwar ne Glatze, aber ich bin keine
Glatzeninhaber
8. März 1988
Manchmal ziehe ich mir einen Shakespeare rein
Brigitte H, Gemüsehändlerin. Sie sei am Wochenende so kaputt, daß
sie sich in den Hintern treten müßte, um noch was Schönes zu machen, einen Oster
strauß z.B. Manchmal liest sie Romane oder "zieht sich einen Shakespeare rein".
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9. Juli 2003
Stark!
Jacqueline. Eine Wespe, von einer Spinne schon fest eingepackt,
sticht kräftig zu, als J. das Gespinst aus dem Sonnenschirm streift.
10. Juli 2000
Der Tag, an dem man im Badezimmer seine Gartenschere wiederfindet, ist kein verlorener Tag
Franziska
11. Juli 2001
I hab nix gengan Luchs, wanna vo seiba kimmt, derfa bleibn, aba net, wanna ausm Kofferraum außahupft
Maria Maltan aus Ramsau, Gemeinderätin, Bezirksrätin, Sennerin im Streit,
ob der Luchs im Nationalpark Berchtesgaden wieder angesiedelt werden soll
12. Juli 2001
Du mußt nur richtig fahren
Ehepaar im Auto
13. Juli 2003
Diese dummen Hühner, beim dritten Mal ham sie's verstanden
Barbara B, sie muß die Grillen ständig aus ihrem Schwimmbad retten.
14. Juli 1987
Habakuk, bei dem Namen muß ich immer lachen
Jenny S, 78 J
15. Juli 2002
Ring am linken Finger bei deutschen Frauen hieß verlobt und tabu, Ring am rechten Finger hieß verheiratet und Freiwild
Rulla erinnert sich an ihre Trampreise in den späten 50erJahren nach Rom.
16. Juli 2002
Laß mal dein T-shirt sehen: in Ordnung; die Hose nicht
Sechsjähriger Chefpilot auf dem Spielplatzflugzeug zu einem Spielplatzneuling
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27. September 2000
Er errötet nicht
Knorr, um den Knollenblätterpilz zu charakterisieren
28. September 2000
You may study from my very window
in der Constable-Ausstellung in Edinburg. Freund, Pfarrer zu C
29. September 2002
Koa Gummi / Koa Gaudi
Inschrift auf Lebkuchenherz (mit Gummi) auf dem Münchner Oktoberfest
30. September 2002
Auf dem Klo hängt ein Zettel, daß das Klopapier ins Klo geworfen werden soll
Marcello aus La Paz ratlos bei seiner Ankunft in Deutschland
1. Oktober 2000
Der Oktober ist eine Frau
Motto der Ingolstädter Künstlerinnentage
2. Oktober 2000
Blau ist gefährlich
der Zahnarzt über Keramikfarben aus den südlichen Ländern
3. Oktober 2002
Alles Scheiße, liebe Elli
Inschrift im Lindengasthof in Saalborn/Thüringen, auf dem Goethewanderweg
4. Oktober 2002
Mein Problem ist: Ich versteh alles
Jörg H
5. Oktober 2002
Wenn es doch nur für sehen ein ähnliches Wort gäbe wie murmeln
Hallgrímur Helgason: 101 Reykjavik, übers. von K-L Wetzig
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9. November (2000?)
Verzieh dich in die Kanalisation, du Rassist!
grünhaarige junge Frau zu einem Ausländerquäler, ihm die Nuckelflasche ihres Babys übern Kopf hauend. Szene in Bamberg
10. November 2000
Einen schönen guten Tag !
Strahlender Sonnenschein, drei Bettler in München an verschiedenen Mauern
auf der Erde: der erste liest die Zeitung und wünscht auf einem Zettel einen schönen guten Tag, der zweite ißt ein Pizzabrot, der dritte löst ein Kreuzworträtsel.
11. November 2003
Kinder, wo nich wissen, was sie machen wollen, sind auch gute Kinder
Lorenz, 4
12. November 2002
Mehrere Spiegel, die das Licht hin- und herwerfen
Aus Peters Erklärung des Inneren eines Faxgerätes
13. November 2003 David, nicht streiten!
Die Lehrerin zu David G und David S, die nebeneinander sitzen
14. November 2003
Sie schauen uns beim Schneider ueberrascht zwischen den Stoffballen an
die Ratten nämlich, Evas und Peters Reise-e-mail aus Vietnam im Regen
14. November 2002
Transzendenz, Wellness, Stallbedarf Der Mayer war 'fühlig'
Wasseradern finden war eine Selbstverständlichkeit,für die er keine
Wünschelrute brauchte, wie schon Hildegard von Bingen spürte er die Wirkung von Edel- und Halbedelsteinen und konnte den Menschen ihren
jeweils ratsamen Stein meist schnell zuordnen sowie, dank seines Sortiments, verkaufen. Rüdiger Dilloos in der SZ über den Besitzer des Landkaufhauses Mayer in Schweinebach bei Siegsdorf,
15. November 2002
Wir schlachten eine Fleischtomate
Gerda von Schwanenborn, in Josef Pretterers Puppenkabarett
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25. November 2000
Ich haue dich, ich haue dich, Hauen ist gut!
Maximilian, 4
26. November 2003
Nie wieder wirst du schweigen
Auf einer Todesanzeige in der SZ
27. November 2000
Ist der Nida-Rümelin eigentlich Jude?-
"Öh, Naumann ist Jude". - "Na dann is der’s auch". Gespräch im Aktzeichenkurs
28. November 2000
Wetzt die langen Messer an dem Schotterstein, steckt die Messer rein in dem Kinderleib
Blut muss fließen knüppelhackedick, es muß endlich wieder schluß sein
mit dieser Judenrepublik. Anonymus im elektronischen Gästebuch der Stadt Sebnitz. (lt. SZ )
29. November 2000
Grüß Gott, ich suche ein Reisebuch, das auch sonst wertvoll ist
"Letztes Jahr war es Goethes Italienische Reise.- Ja, Goethe ist dahinten,
da ist die Literatur, vielleicht Böll? Den finde ich jetzt nicht im Computer. Es soll auch einen geben, der sehr gut über Schottland geschrieben hat.
- Egal, aber irgend etwas Gutes.- Ja, gegen Goethe läßt sich natürlich nicht. - Hauptsache, es ist anspruchsvoll .- Da ist Kohls neues Buch, aber" Gestern in einer Buchhandlung
30. November vor 2000
Hast du dich gewundert?
Brigitte B's alte Tante rief an: :"Da sitzt plötzlich jemand auf meinem Sofa".
Zweiter Anruf:"Ich hatte nichts getrunken, da bekommt man Halluzinationen.Hast
1. Dezember 2002
Sowas hab ich mein Leben lang nicht gemacht
Alte Frau im U-Bahnhof Marienplatz, auffallend arm angezogen, erbost über zwei
knutschende Mädchen. Sie strebt zum Informationskiosk, um zu melden, daß die beiden ständig den Lift rauf und runterfahren: "Das kostet Strom!"
(c: Renate Gutdeutsch, Ruccola 5, 2003)
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