RUCCOLA 5

R U C C O L A  6

 

König Ludwig Dunkel

Gedichte, Geschichten und Übertragungen für den einfachen
Mann. Auch für den schwierigen. Für Frauen bestens geeignet
.

 

Dezember 2004, 48 Seiten, 110 Hefte

 

Zu Ruccola 6

Eine Auftragsarbeit, angestoßen von einem Seufzer aus der Umgebung der
Autorin: "Keine Anagramme! (und keine Collagen!) Mach doch mal ein Heft
für den einfachen Mann!"

Poesie und Prosa. Lyrisch eine breite Palette: einfachste Vierzeiler und ungewöhnlichere
Formen (immer leicht eingängig). Dazu mehr Prosa als in den anderen Heften: 8 bis
9 Seiten, vor allem autobiographisch gefärbte Erzählungen. Dazu Übertragungen aus
dem Französischen (samt Originaltext).

 

Alles, um dem "einfachen Mann" (also dem Mann als solchem) von irgendeiner Seite her um den
Bart zu gehen. Kalauernd, spöttisch, hart, zart. Die Übertragungen mischen sich verständnisvoll
bedauernd (Der arme Ackerbauer) oder chansonschmeichelnd (Wenn ich tot bin) unter die herberen
zeitgenössischen Sachen. Ein immerbewährter roter Faden: der durch die Jahreszeiten. Manche
Jahreszeitengedichte haben einen deutlich politischen Touch, andere sind einfach nur froh,in der
Welt zu sein. Unter den beliebten Männerthemen fehlen bestimmt zwei: Geld und Schwulsein. Alle
"schwierigen" Männer mögen allen möglichen Anspielungen nachgehen, Zitaten und Lebenswirren;
sie werden sich sogar an der manchen Leser verunsichernden Vieltönigkeit von Ruccola 6 freuen.
Darin, in dieser kleinen Multi-Poly-Welt, zwischen hart und zart, werden die selbstverständlich
eingeladenen Frauen (WER DENN SONST?) sich ja von vornherein lockerer bewegen. 

 

Errata: Horazens Datum stimmt nicht (S 6 u S 47, Anmerkungen).
       Auf S. 28 muß es statt "veruntreute" "verlor" heißen.

 

 

Beispiele aus Ruccola 6

 

 

König Ludwig Dunkel

König Ludwig Dunkel. Aber leicht

Dichter! Werdet dunkel!

Aber leicht!

 

Angebot einer Brauerei

Forderung eines Philosophen

Schrei eines Volkes

 

 

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Einfach zu halten

Einfach zu halten ist der Kindersoldat

Gehorcht gern, ist leicht zu belohnen

Hantieren und töten genau wie die Großen

Fürchtet den Tod nicht, ist ja nicht alt               

 

 2004

 

 

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Klassentreffen

Das Gesicht von Heinz ist eine Axt.

Aber Heinz hat es nach 50 Jahren noch nicht verwunden

Daß Berni (mit dem weichen Gesicht)

Als er sein erstes Luftgewehr hatte

Eine Bachstelze totschoß.

Berni geht heute auf Gamsjagd.

Heinz, die Axt, kennt alle Vögel

Und zeigt sie den Enkeln.

 

 

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Wenn ich ein Adler bin

 

Wenn ich ein Adler bin
Und du bleibst ein normal kleiner Vogel
Und ich nehm dich mit nach der bekannten Märchenmethode
(Adler mit Zaunkönig huckepack ganz hoch hinaus)
Dann sag du aber mal
Denn ich fliege für zwei
Wie es ist
Ganz oben, weit
Alleine zu zweit usw. und frei.
Ich fürchte, du sagst:
Normal!

 

 

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Wenn ich ein Buntspecht bin

 

Wenn ich ein Buntspecht bin

Klopf ich den Stamm.

Wenn dir dein Handy klingt

Tipp ich dich an.

Bin ich auch weit von dir

Bin schon am Mann.

 

 

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...
DIE TÖCHTER,
waren sie aus ihren Internaten in den Ferien daheim angelangt, und war das erste Wiedersehen
mit dem Kiesplatz, dem wilden Wein, der Klettereiche draußen und dem Treppengeländer und
der Eckbank innen und wieder der Blutbuche, den Johannisbeeren draußen - abgerast, standen
im Badezimmerfenster über der Haustür und dachten den Platz, die Birkenspizen,die Bergkämme
und die Ferien entlang: Wenn jetzt einer käme! Aber es kam ja fast niemand. Einer kam zu den
Dorfprinzessinnen in das Jagdzimmer des abwesenden Jägers hereinspaziert wie ein Märchen.
Grad aus Paris, auf dem Weg nach Harvard, Boston, Massachusetts. Ein Ausbund von Hübschheit
und Klugheit und Liebenswürdigkeit. "Du, ich möchte deine Töchter heiraten". Das konnte doch nicht
ernst gemeint sein. "Och, ich bin ja auch noch da". So wild wuchs der Witz in den keuschen Witwen
vom Lande.
Die Schwiegersöhne Jahre später rochen nicht nach ererbten Handelskontoren, Zigarre plus Jagdhund.
Sie kamen mit dem Motorroller über den frischgeharkten Kies gerollt oder ungeniert übernächtigt per
Anhalter und mit Rucksack zum Tore herein. Sie waren unglaublich, eine herausfordernde Mengenlehre
für den besitzenden katholischen Clan: einer ein Flüchtling, keiner westfälisch, zwei evangelisch, einer
etwas noch Unvorstellbareres. Die Großmutter meinte, ihre Silberleuchter nicht vererben zu können.
Einer verstand es, Menuett zu tanzen und die Lilofee im Polka zu drehen, riß den Damen aber nicht die
Wagentür auf und reichte ihnen niemals Feuer. An den Töchtern wurde geschätzt: der Wald. Das Frische,
das Grün; das Verstockte kam dazu, das Sperrige, fern von Ikebana und Rilke. Ahnten Lilofees mutige
Schwiegersöhne, daß sie an Sträucher voll Unsicherheiten geraten würden? Und wie gewaltig bekamen
sie es mit den ins Kraut geschossenen Vaterwünschen der drei Schwestern zu tun?
...
(Auszug)

 

 

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Pont Sainte Maxence

 

Autoherden trampeln über die Brücke

Drunter

Auf dem Bahnsteig

Wartet die Katze auf den Mittagszug

 

 

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Abendghasele

 

Die letzte Sonne lächelt sehr

Zwei gehn, sich schaukelnd, vor mir her

Die Rücken grad, der Schwung im Knie

Vier Beine, und kein Bein ist schwer

Es ist die Frau mit ihrem Sohn

Ihr Gang gleicht seinem immer mehr

Er ist behindert, sie wird alt

Er wiegt sich quer, sie wiegt sich quer

Sie treten Luft und zupfen Zeit

Die Ärmel weit, die Hände leer

Ich bin ihr Fan im Abendschein

In Anmut tanzen wir daher

 

 

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Kleiner Villon

 

Als in dem Fluß der Tag ertrank
War er wohl sterbensmüde, doch nicht krank.
Er wollte nur für eine Nacht ertrinken.

Er wird nach steineschwerem Sinken
Wenn er durch schwarze Schwermutwolken schwimmt
- Die dunkle Tiefe ihm die Lebenslüfte nimmt -
An andrer Stelle fröhlich auferstehn
Und dann am Abend wieder sterbend untergehn.       

 

1991      

 

 

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Wenn ich tot bin

 

Wenn ich tot bin, soll sie fahren

Meine Witwe, nach Javel.

Bei Citroen, Zum Schönen Schwarzen

Im Bistro, nah beim Hotel

 

Findet sie drei Musikanten

Die ihr --mi, ré, mi -- vorspielen

Liederchen der kleinen Tane

Die vielleicht mich hätte lieben

 

 

Können einen Geigenklang

Lang, nur Schattenspiel, nur Ränder...

Meine Frau, o mein November

Drunten sind die Tage lang.

 

  von J. Audiberti 1899 - 1965
  Übertragung 1998

 

 

 

(c: Renate Gutdeutsch, Ruccola 6, 2005)